Konflikte in Arbeitsteams – wie entstehen sie und wie kann man ihnen begegnen?
Ein Artikel von
Bianca Trobisch
Psychologie-Studentin an der TU Chemnitz und Praktikantin bei novaworx
Konflikte bei der Arbeit sind für nicht wenige Leute ein Schreckgespenst. Sie kosten Zeit und Nerven und sorgen am Ende dafür, dass man am liebsten überhaupt nicht mehr zur Arbeit gehen will. Aber Konflikte sind normal, ob nun in Beziehungen, in einer Sportmannschaft oder eben in einem Arbeitsteam. Wo immer sich mehrere Menschen versammeln, prallen verschiedene Meinungen, Erfahrungen, Werte und Charaktere aufeinander und Reibungen sind unvermeidlich. Konflikte können sogar eine Chance sein – es gäbe keine Veränderungen, wenn nicht jemand am Status quo Kritik äußern und eine Diskussion anstoßen würde. Natürlich können Konflikte aber auch negative Folgen haben, wenn sie eskalieren und beispielweise Beleidigungen und Ausschluss von Personen zur Tagesordnung gehören. Daher ist es wichtig, eine gewisse Kompetenz im Umgang mit Konflikten aufzubauen, um diese möglichst konstruktiv lösen zu können und im besten Fall zu verhindern, dass eine Meinungsverschiedenheit in einen handfesten Streit ausartet.
Zunächst einmal lohnt es sich, noch einmal einen genaueren Blick darauf zu werfen, wie und warum Konflikte mit solcher Regelmäßigkeit entstehen, obwohl die meisten Menschen sie wahrscheinlich lieber vermeiden würden. Es gibt es verschiedene Ansätze, Konflikte zu kategorisieren sowie sie in ihrer Entstehung und ihrem Verlauf zu beschreiben. Diese sind nicht nur praktisch nützlich, sondern auch wissenschaftlich gut belegt. Per Definition liegt ein Konflikt immer dann vor, wenn a) eine Interaktion zwischen den Beteiligten besteht, b) mindestens eine der Personen in dieser Interaktion etwas anderes denkt, fühlt oder möchte als die anderen Beteiligten und c) mindestens eine Person sich durch das Verhalten der anderen Person(en) beeinträchtigt fühlt.
Wenn ein Konflikt eskaliert, gibt es drei Möglichkeiten – Explosion, Implosion oder Chronifizierung.
Eine verbreitete Art, Konflikte in Arbeitsgruppen übergeordnet zu kategorisieren, ist die Einteilung in Aufgaben- und Beziehungskonflikte. Aufgabenkonflikte bezeichnen dabei eine erlebte Unvereinbarkeit, die direkt die gemeinsame Arbeitsaufgabe betrifft. Sie werden noch einmal unterteilt in Beurteilungskonflikte und Prozesskonflikte, wobei erstere dadurch entstehen, dass zum Beispiel Ziele, Vorgaben oder Ergebnisse unterschiedlich ausgelegt oder beurteilt werden; zweitere betreffen organisatorische Aspekte der Zusammenarbeit, wie „Wer macht was?“ oder „Wer ist wofür verantwortlich?“. Im Gegensatz dazu sind Beziehungskonflikte eher persönlicher Natur, zum Beispiel durch verschiedene Wertevorstellungen zweier Menschen, und haben nicht direkt etwas mit der Arbeit zu tun. Natürlich können diese Konfliktarten ineinander übergehen und zum Beispiel ein Aufgabenkonflikt sich so verhärten, dass er zu einem Beziehungskonflikt wird.
Ein bereits bestehender Konflikt kann sich nun verschieden entwickeln. Die Beteiligten können sich unterschiedlich verhalten; sie könnten versuchen, einen Kompromiss zu finden, oder aber sie wollen ihre eigenen Ziele unbedingt durchsetzen oder sich lieber ganz von dem Konflikt zurückziehen. Oft sammeln sich „kleine“ Verletzungen und Anfeindungen immer weiter an, bis das sprichwörtliche Fass überläuft und der Konflikt eskaliert. Wird diese Grenze überschritten, gibt es drei Möglichkeiten – es kann zu einer Explosion, einer Implosion oder einer Chronifizierung des Konfliktes kommen.
Unter dem Begriff Explosion wird ein emotionaler Ausbruch verstanden: Schreien, Tränen, Türen schlagen – wie der Ausbruch genau aussieht, ist individuell sehr verschieden. Kommt es zur Explosion ist es noch am günstigsten wenn alle Beteiligten explodieren. Die Beteiligten signalisieren sich damit gegenseitig: „Mir ist das wichtig, ich bin hochgradig beteiligt an dem, was hier gerade zwischen uns passiert.“ Bleibt eine Person ruhig und äußert sich vielleicht sogar überheblich über das Verhalten der anderen, verschlimmert sich der Konflikt nur noch weiter.
Bei einer Implosion zieht sich eine Konfliktpartei innerlich zurück; es entsteht ein sogenannter kalter Konflikt, bei dem die Betroffenen oft Dienst nach Vorschrift leisten, aber beispielsweise versuchen, sich gegenseitig zu meiden.
Ein chronischer Konflikt entsteht dann, wenn es durch Unterdrückung von Gefühlen nicht zu einer Explosion kommt, Sticheleien und andere kleine Vorfälle aber anhalten. So entwickelt sich der Konflikt überhaupt nicht, es kommt nichts Neues hinzu, es wird nichts gelöst und die Situation wird festgefahren.
Alle drei Varianten sind für die weitere Zusammenarbeit ungünstig. Greift man in einen Konflikt erst ein, wenn er bereits so weit eskaliert ist, bedarf es großer Anstrengung – und oft auch externer Unterstützung, um ein produktives Arbeitsklima wiederherzustellen.
Auf den letzten Stufen gibt es keine zufriedenstellende Lösung für niemanden mehr. Alle Konfliktparteien haben auf die eine oder andere Weise Schaden genommen und das Verhältnis ist unwiederbringlich zerstört.
Wann also eingreifen? Ein weit verbreitetes Modell zur Beschreibung der Eskalation eines Konfliktes sind die Stufen der Konflikteskalation nach Glasl. Hier sind neun Stufen beschrieben, welche sich grob in drei Abschnitte einteilen lassen. Während der ersten Stufen ist in der Regel noch eine „win-win“ Lösung mit gutem Ausgang für alle Beteiligten möglich.
Es folgen Stufen, auf denen es am Ende meist einen klaren Gewinner und einen klaren Verlierer gibt. Die neunte Stufe schließlich wird mit „gemeinsam in den Abgrund“ betitelt. Der Name ist Programm, gibt es doch auf den letzten Stufen oft keine zufriedenstellende Lösung für niemanden mehr, alle Konfliktparteien haben auf die eine oder andere Weise Schaden genommen und das Verhältnis ist unwiederbringlich zerstört.
Warum aber eskalieren viele Konflikte trotzdem? Eine wichtige Voraussetzung für die Klärung eines Konfliktes ist es, diesen offen anzusprechen. Das passiert jedoch aus unterschiedlichen Gründen oft nicht. Am Anfang möchte man vielleicht nicht „kleinkariert“ wirken, wartet im hektischen Alltagsgeschäft auf eine günstige Möglichkeit, die sich einfach nicht ergeben will. Später scheut man die Ansprache dann vielleicht, weil bereits so viel vorgefallen ist, dass man befürchtet, nicht sachlich bleiben zu können. Ist das Ganze erstmal explodiert, kommen trotzdem oft noch Phrasen wie „Der/Die beruhigt sich schon wieder“ oder „Gras drüber wachsen lassen“.
Es gibt allerdings einige Rahmenbedingungen, auf die man achten und die man im Team gestalten kann, um für Konflikte bestmöglich gewappnet zu sein und auch eben angesprochener Kommunikationsproblematik entgegenzuwirken. Übergreifend lassen sich diese Faktoren unter dem Begriff des Teamklimas zusammenfassen. Darunter versteht man die subjektive Wahrnehmung einzelner Teammitglieder von Gegebenheiten, Grundsätzen und Vorgehensweisen im Unternehmen, die in gewissem Maß unter allen Teammitgliedern geteilt wird. Für diese Größe sind verschiedene Merkmale der unmittelbaren sozialen Umgebung von besonderer Bedeutung, so zum Beispiel die Qualität der Kommunikation im Team, Möglichkeiten zur Mitwirkung bei Entscheidungen für die Mitglieder oder geteilte Pläne und Ziele. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die sogenannte psychologische Sicherheit im Team. Dieses Konzept beschreibt die gemeinsame Überzeugung aller Mitglieder eines Teams, dass es sicher ist, zwischenmenschliche Risiken einzugehen. Solche Risiken können zum Beispiel sein, einen eigenen Fehler oder den einer anderen Person offen anzusprechen – oder eben einen bestehenden Konflikt. Herrscht im Team die Überzeugung, dass diese Sicherheit gering ist, man bei der Ansprache also mit Kritik oder Desinteresse rechnen muss, dann wird das Ganze eher vermieden.
Hilfreich ist es, wenn es im Team die gemeinsame Überzeugung aller Mitglieder gibt, dass es sicher ist, zwischenmenschliche Risiken einzugehen. So können Irritationen angesprochen werden, bevor sie zum Konflikt werden.
Natürlich lässt sich auch mit optimal gestalteten Ausgangsbedingungen nicht zu 100% vermeiden, dass ein komplexerer Konflikt entsteht, der durch das Team allein nicht befriedigend gelöst werden kann. Hier kann es ratsam sein, Unterstützung hinzuzuziehen.
Intern können das Führungskräfte, die betriebliche Sozialberatung oder auch speziell ausgebildete Konfliktlotsen leisten. Externe Fachpersonen können darüber hinaus einen unabhängigen Blick auf die Situation mitbringen und helfen, schwierige Konfliktgeflechte aufzulösen. Ein Beispiel für eine Maßnahme mit externer Unterstützung in einer eher frühen Konfliktstufe ist eine Teamentwicklung. Diese könnte so ablaufen, dass gemeinsam mit allen Teammitgliedern gesammelt wird, was im Team gerade gut läuft und was sich verändern sollte. Daraus können dann Problemfelder und Ziele erarbeitet werden. Anschließend wird wieder gemeinsam im Team überlegt, wie man diese Ziele erreichen könnte und wer was dazu beitragen kann. Die Ergebnisse des Ganzen können dann in einer Teamvereinbarung schriftlich festgehalten werden. Wird Unterstützung erst später gesucht, können Konfliktmoderation oder Mediation helfen.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Konflikte zwar unschön, aber auch unvermeidbar sind. Es ist wichtig, ihnen richtig zu begegnen, damit sie nicht unnötig eskalieren und vielleicht sogar eine Chance auf Neuerungen darstellen. Kommunikation ist dafür essenziell und ein gutes Teamklima kann diesen Prozess unterstützen. Gegebenenfalls ist es hilfreich, sich externe Fachpersonen hinzuzuziehen.
Quellen:
- Brodbeck, F.C., Anderson, N., & West, M.A. (2000). Das Teamklima-Inventar: Handanweisung und Validierung der deutschsprachigen Version. Hogrefe.
- Eidenschink, K. (o.D.). Führen in Konflikten: Warum man sie als Führungskraft braucht und wie man sie nutzt. https://metatheorie-der-veraenderung.info/wp-content/uploads/2015/10/Fuehren_in_Konflikten.pdf
- Glasl, F. (1999). Konfliktmanagement: Ein Handbuch für Führungskräfte, Beraterinnen und Berater. (6. Aufl.). Haupt.
- Goller, I. & Laufer, T. (2018). Erfolgsfaktor Nr. 1 für Teams: Psychologische Sicherheit. In I. Goller & T. Laufer (Hrsg.), Psychologische Sicherheit in Unternehmen: Wie Hochleistungsteams wirklich funktionieren (S. 3-17). Springer. https://doi.org/10.1007/978-3-658-21338-1
- Schäfer, J. (2021). Konflikte in Teams: Krise oder Gelegenheit. In J. Schäfer (Hrsg.), Altersgemischte Teams in der Pflege (S. 139-163). Springer. https://doi.org/10.1007/978-3-662-62062-5_15
- Solga, M. (2019). Konflikte in Organisationen. In F.W. Nerdinger, G. Blickle & N. Schaper (Hrsg.), Arbeits- und Organisationspsychologie (S. 135-150). Springer. https://doi.org/10.1007/978-3-642-16972-4_9
- Thomann, C. (2019). Konfliktentwicklung. In C. Thomann (Hrsg.), Klärungshilfe 2 Konflikte im Beruf: Methoden und Modelle klärender Gespräche (8. Aufl., S. 27-33). Rowohlt Taschenbuch Verlag.